Die Notrechtsinitiative verlangt, dass nicht nur kantonale, sondern auch nationale Notverordnungen des Bundesrats vor Gericht angefochten werden können.

Zuerst bei Corona, dann bei der Rettung der Stromkonzerne und zuletzt bei der Übernahme der Credit Suisse: Der Bundesrat greift in den letzten Jahren immer häufiger auf das Instrument der Notverordnungen zurück. Die Verordnungen sind demokratiepolitisch umstritten, weil damit das Parlament umgangen wird und so keine Referenden möglich sind. Zudem können die Verordnungen auch nicht beim Bundesgericht angefochten werden.
Ein bürgerliches Komitee um Exponenten aus der SVP, FDP, der Libertären Partei und Parteilosen will dem Bundesrat mit der sogenannten «Notrechtsinitiative» daher einen Riegel vorschieben: Mittels Einreichung einer Standesinitiative sollen künftig nicht nur kantonale, sondern auch nationale Notverordnungen des Bundesrats vor Gericht angefochten werden können. Im Falle bundesrätlicher Notverordnungen müsste das Bundesgericht innert drei Monaten nach Eingang einer Beschwerde über die Rechtmässigkeit der Verordnung beziehungsweise einzelner Bestimmungen entscheiden.
«Das Notrecht muss eine Ausnahme bleiben»
Innerhalb von drei Jahren sei Notrecht fast zum Normalfall geworden, ärgert sich Marco Vogt, Vizepräsident des Komitees. «Situationen, die aufgrund massiver Versäumnisse seitens Politik aus dem Ruder laufen, werden mit der Anwendung von Notrecht in letzter Sekunde beseitigt.» Dabei müsste mit juristischen Kriterien geprüft werden, ob eine Notlage vorliege. «Dass der Bundesrat als Exekutive an die Stelle des Parlaments tritt und weitreichende Vorgaben mit sofortiger Wirkung erlässt, muss eine Ausnahme bleiben.»
Wolle man die Gewaltenteilung – der Grundpfeiler jedes liberalen Rechtsstaates – nicht weitgehend über Bord werfen, sei es extrem wichtig, dass die gerichtliche Kontrolle gestärkt werde, so Vogt. Kantonale Notverordnungen könnten bereits angefochten werden, national bestehe «Nachholbedarf».
Unterstützung der Parteien fehlt
Das Initiativkomitee hat bislang bereits mehr als die Hälfte der benötigten Unterschriften vorliegen. Doch bis vor Ostern müssten die restlichen Unterschriften gesammelt werden, um die 6000 voll zu bringen. «Es wird sehr knapp. Wir müssen bis zum Schluss zittern», gesteht Vogt. Doch einen Funken Hoffnung hat er dennoch. «Seit dem CS-Debakel gelangen auf einmal mehr Unterschriften an uns.»
Der Vizepräsident der SVP Stäfa vermisst dabei die Unterstützung beim Sammeln von Unterschriften der eigenen Partei, aber auch von allen anderen Parteien. «Anfragen an meine Partei wurden jeweils abgelehnt, da man zurzeit genügend Initiativen und Referenden am Laufen habe.» Anscheinend habe man bisher weder bei seiner Partei noch bei anderen Parteien Bedarf gesehen, genau hinzuschauen. «Besonders bedauerlich finde ich es bei Parteien, welche sich als liberal bezeichnen», so Vogt weiter.
«Bundesrat würde sorgfältiger arbeiten»
«Bundesrat würde sorgfältiger arbeiten»
Dass der Erlass von verfassungsunmittelbaren Verordnungen massiv zugenommen hat, finden auch die beiden Staatsrechtler Andreas Kley und Andreas Glaser. Glaser, Direktionspräsident des Zentrums für Demokratie Aarau (ZDA), jedoch ist der Meinung, dass das Vorgehen des Initiativkomitees wenig zielführend ist: «Zum einen sind Standesinitiativen der Kantone sehr umständlich, eine Volksinitiative auf Bundesebene wäre hier stufengerechter. Zum anderen halte ich die Anfechtbarkeit von Verordnungen des Bundesrates nicht für ein geeignetes Gegenmittel zur Behebung des Demokratiedefizits.»
Die Initiative hätte, für den Fall das diese Anklang finden würde, auch positive Aspekte. «Der Gebrauch des Notrechts würde durch die Initiative minimiert werden. Sie würde die groben Rechtsverletzungen dieser Verordnungen korrigieren können», sagt Andreas Kley von der Universität Zürich.
20 Minuten Artikel vom 29.03.2023 / Daniel Krähenbühl
Marino Walser